Dass wir Hawaii so schnell wiedersehen werden, war uns nach unserer Abreise in 2019 nicht bewusst. Ende des letzten Jahres stellte sich die Frage, ob und wo ich mein Qualirennen für die 70.3 WM in Taupo angehen möchte. Der Zeitraum zur Vorbereitung sollte grob 5-6 Monate betragen, sodass nur Rennen im Zeitraum von Mai-Juni in Frage kamen. Nach einem speziell ausgedachten Ranking stellten wir in mehreren Übersichten alle Informationen zusammen, die mir bei der Entscheidung für das richtige Rennen helfen sollten. Der erste Termin fiel auf den 01.06.2024 auf Hawaii. Nach einigem Abwägen und dem Kribbeln im Bauch, wenn ich an einen Start auf Hawaii dachte, legten wir uns fest und meldeten uns beide zum Rennen an. Ich war die kompletten 6 Monate in der glücklichen Lage, schmerzfrei und gesund durchzutrainieren. Das war auch der Schlüssel für all die guten Resultate, die ich schon im Training sehen konnte. Für eine gute Vorbereitung vor Ort, um sich an Zeit und Klima entsprechend anpassen zu können, flogen wir über zwei Wochen vorher schon auf die Insel. Da das Training vor einem Wettkampf vom Umfang und mehr und mehr auch von der Intensität abnimmt, hatten wir ausreichend Zeit, alte und neue Plätze auf Big Island zu erkunden. Unser Airbnb teilten wir uns mit unserer Gastfamilie und ihrem Hund Tucker in Mauna Lani. In diesem Resort war auch der Austragungsort des 70.3 Rennens. Die ersten Tage ließen wir es ruhig angehen und schauten uns die Buchten des Mauna Lani Resorts, Kona und die Radstrecke per Auto nach Hawi an. In Kona konnten wir das Aquatic Center kostenfrei zu den Öffnungszeiten für unser Schwimmtraining nutzen.
Wir fuhren auch zu den Buchten, die wir in 2019 von unserer Gastfamilie empfohlen bekommen haben. Delfinsichtungen waren hier damals zu 80% möglich. Damals hatten wir kein Glück gehabt. Eine der nach unserem Empfinden schönste Bucht zum Schnorcheln ist die Honaunau Bay. Der Weg ins Wasser ist vorrangig felsig, dadurch ist das Wasser aber umso klarer. Wir trauten unseren Augen kaum. Als wir ankamen und kurz aufs Meer schauten, schwammen unweit der Badegäste die ersten Delfine. Schnell warfen wir uns in die Badesachen und stiegen ein ins tiefe Blau. John konnte die Delfine auch im Wasser in einer gewissen Entfernung sehen. Dennoch darf man nicht zu nah an die Tiere heran schwimmen. Solche offensiven Belästigungen werden auf Hawaii mit hohen Geld- bzw. auch Gefängnisstrafen geahndet. Neben dem Training suchten wir uns immer wieder neue Buchten zum Baden aus. Wir fuhren auch zweimal an die Ostküste der Insel und verbrachten vor allem in Hilo einige Zeit. Es ist wirklich schön, auch mal länger Zeit an Orten zu verbringen, wenn es der Urlaubsumfang zulässt. Die Ostküste ist für ihr schlechtes Wetter bekannt. Dennoch strotzt sie genau deshalb durch ihre sattgrüne und dschungelartige Landschaft. Die Akakafalls und auch die Rainbowfalls fehlten auch in diesem Urlaub nicht auf unserer Liste. Besonders gut hat uns der Old Mamalahoa Highway gefallen, den wir gern als alternative Route zum neuen Highway nutzten.
2019 konnten wir aufgrund von Protesten die Aussicht vom Mauna Kea, dem höchsten Berg Hawaiis, nicht genießen. Die Zufahrt zum Gipfel war mit streikenden Menschen besetzt. Deshalb stand er diesmal ganz oben auf unserer Liste. Zunächst fährt man zum Visitor Center, welches bereits auf einer entsprechenden Höhe liegt. Nach einer Anmeldung im Visitor Center mussten wir noch 30min zur Adaption an die Höhe warten. Bevor wir unseren Weg auf den Gipfel antreten konnten, wurden wir von einem Ranger über den weiteren Wegverlauf, die Höhenkrankheit und den Rückweg mit Nutzung der Motorbremse aufgeklärt. Zum Gipfel dürfen nur Allradfahrzeuge hoch fahren. Oben angekommen, war die Luft schon sehr dünn. Die Aussicht auf den Mauna Loa und den Rest der Insel war wirklich schön. Leider wurde an dem Tag das Keck Observatory frühzeitig geschlossen. Wir wollten uns so gern mal ein Teleskop von innen anschauen. Deshalb ging es für uns ein zweites Mal auf den Mauna Kea. In 2019 sind wir als Alternative zum höchsten Berg Hawaiis zum Mauna Loa Observatory gefahren. Das hatten wir auch in diesem Jahr vor und nahmen die sich ewig windende enge Straße wieder in Kauf. Doch nach fast einer Stunde Fahrt, standen wir vor einem Berg erkalteter Lava. In 2022 brach der Mauna Loa aus und verschüttete den Weg zum Observatory, was bis heute nicht weggeräumt wurde.
Das Training verlief bei John auf der Insel wirklich sehr gut und man hatte schon den Eindruck, dass ihm die feuchte Wärme fast nichts auszumachen scheint. Mein Puls war gut 10 Schläge höher als bei vergleichbaren Einheiten zu Hause. Das nagte schon etwas an mir, dass ich meine Leistung von zu Hause hier nicht wirklich abrufen konnte. Ein Tag vor dem Wettkampf wachten wir beide mit Halskratzen auf. Wir dachten, wir sind im falschen Film. Die ganzen letzten Monate hatten wir uns so wacker geschlagen und jetzt wird uns kurz vor dem Rennen der Stecker gezogen? John bekam an diesem Tag noch Fieber. Die Nacht zum Wettkampf war schrecklich, da wir nicht wussten, wie es weiter gehen wird. War die Anreise und die ganze Vorbereitung, Zeit und investierte Kraft umsonst? Meine Nerven lagen blank als John am Wettkampfmorgen zu mir sagte, dass er nicht starten kann. Der Traum zusammen auf Hawaii das Rennen zu bestreiten, war in wenigen Stunden einfach zerplatzt. Zudem kam auch bei mir die Ungewissheit auf, ob ich eine Halbdistanz durchstehen werde. Dazu kam, dass Hawaii nicht nur irgendeine Halbdistanz, sondern durch die klimatischen Bedingungen und den Streckenkurs ein wirklich hartes Brett ist. Ich fühlte mich super platt und war unfassbar traurig über die Gesamtsituation. Beim Schwimmen merke ich am besten, ob ich wirklich krank bin. Deshalb beschloss ich, das erste Mal überhaupt, alleine zur Wechselzone zu gehen, mein Rad raceready zu machen und mich dann an die Startlinie zu stellen. Alles war so unfassbar aufregend, denn der Wind hat an diesem Tag nochmal richtig zugelegt. Kurz vor Abgabe meiner Sachen bekam ich noch die Info aufs Telefon, dass die Schwimmstrecke von 1900m auf 750m aufgrund von zu starken Windböen verkürzt wird. Wäre ich richtig fit gewesen, hätte mich die Info vermutlich etwas geärgert, da ich gern länger geschwommen wäre. Aber so konnte ich schneller wieder aus dem Wasser raus, falls es mir doch nicht so gut ging. Die Stimmung war dennoch atemberaubend und ruft bei mir immer noch Gänsehaut hervor. Alles war so herzlich und man hatte nicht wie bei anderen Rennen das Gefühl, dass hier ein starker Konkurrenzkampf dahinter steht. Es war ein schönes Miteinander. Wir tauschten uns nochmal über Streckenverläufe aus, wo gab es Besonderheiten, wo waren vielleicht noch Ängste, die genommen werden konnten. Die Hymne und hawaiianischen Lieder, die vor Schwimmstart gesungen wurden, gingen bei mir sehr tief ins Mark und ich wusste wieder wofür ich die ganzen letzten Monate so hart an mir gearbeitet hatte. Das Ganze sollte mindestens mit einem Finish belohnt werden. Ich ging ungewollt etwas später ins Wasser, was aber den Vorteil hatte, dass viele aus meiner Altersklasse vor mir waren und John somit einen guten Überblick hatte, wie sich das Rennen platztechnisch entwickelt. Es war angenehm kühl und glasklar. Dennoch habe ich keine Schildkröten gesehen. Das Gefühl nach dem Schwimmen war okay und ich beschloss aufs Rad zu steigen. Mit dem schnellsten Wechsel aller Frauen konnte ich einige Plätze gut machen und stieg als 2. Frau meiner Altersklasse aufs Rad. Ich wusste, dass die Radstrecke von mir alles abverlangen wird. Das Profil ist sehr wellig und mit dem starken Seitenwind hatte ich vor allem in den Abfahrten gut zu tun. Bis kurz vor dem Wendepunkt habe ich mich gut geschlagen, merkte aber auch wie die Konzentration und auch die Kraft nach ließ. Der Rückweg war einfach nochmal eine Nummer härter. Auch wenn es tendenziell mehr bergab ging, war es für mich mit den Seitenwinden und meiner erhöhten Geschwindigkeit bergab schwer, die Ruhe zu bewahren. Ich merkte auch, dass mir der Saft in den bergan Stücken völlig ausging. Mein Ziel war einfach sicher und sturzfrei in der Wechselzone anzukommen. Ich verlor durch meine schwindende Kraft leider sehr viel Zeit auf meine Mitstreiterinnen. Das wurmte mich natürlich sehr, da das Radfahren bisher meine stärkste Disziplin war. In der Wechselzone sicher angekommen, musste ich mir etwas mehr Zeit für den Wechsel nehmen. Ich wusste noch nicht so richtig, wie ich jetzt noch einen Halbmarathon rennen sollte. Ich kühlte mich an der ersten Verpflegungsstation erstmal gut und nahm eine Salzkapsel zu mir. Nach dem ersten KM kam ich so langsam in meinen Rhythmus. Weit weg von meinen Trainingszeiten, aber ich wollte das Rennen jetzt ins Ziel bringen. Als ich John mit Fieber dann an der Laufstrecke stehen sah, wusste ich, dass ich jetzt für uns beide Laufen muss. Und so sagte er mir immer wieder die Abstände durch. Die Laufstrecke verlief größtenteils über Golfplätze, was durch das viele Auf und Ab auch hier nochmal das System ordentlich auf trapp hielt. Ich musste bis zum Schluss kämpfen, dass mir Platz 5 in der Altersklasse erhalten blieb. Überglücklich kam ich im Ziel an und konnte meine lang ersehnte Schildkrötenmedaille in die Hand nehmen.
Eine so gute Platzierung hatte ich bisher in noch keinem Rennen. Dennoch wollte ich die Hoffnung auf einen WM Platz nicht zu groß werden lassen, damit die Enttäuschung dann nicht wieder zu groß ist. Ich wusste, dass ich an diesem Tag alles aus mir raus geholt hatte und konnte jetzt einfach nur abwarten. Da bei Ironman 70.3 Rennen sonst immer nur die Top3 geehrt werden, sind wir nicht pünktlich zur Siegerehrung angekommen. Als ich jedoch an der Eventlocation ankam, sah ich, dass 5 Personen pro AK geehrt wurden. Ich hatte meine Siegerehrung schon verpasst, da bereits ältere Altersklassen aufgerufen wurden. Meine Pokalschale holte ich mir dennoch im Anschluss noch ab. Damit hätte ich nie gerechnet, dass ich mir meine eigene Schale holen werde. Eigentlich wäre das Johns Job gewesen ;-) Im Anschluss an die Siegerehrung wurden die WM Plätze vergeben. Das ganze Spektakel zog sich ewig… Aus einigen älteren AKs waren einige WM Plätze übrig, sodass ich mir sicher war, dass meine AK einen weiteren Platz dazu bekommen wird. Grundlegend hatte meine AK 2 Slots zu vergeben. Platz 1 und Platz 4 nahmen sie sich. Somit wusste ich schon hier, dass ich einen Platz bekommen werde, da auch noch ein WomenforTri Platz in meiner AK zur Verfügung stand. Ich war so aufgeregt und konnte es nicht glauben bis mein Name dann gesagt wurde. Mein Gefühlschaos war perfekt: von einem so holprigen Start, bei dem unklar war, ob ich überhaupt finishen werde zum absoluten Happy End, bei dem ich alles abräumen konnte, was nur ging. Träume können wahr werden, wenn man ganz fest an sie glaubt und diszipliniert, kontinuierlich und smart an ihnen arbeitet.
Die letzten Tage verbrachten wir ungeplant dann in unserer Unterkunft, da es John noch schlechter ging. Somit hatten wir viel Zeit zum Sachen packen und wir mussten John wieder reisebereit bekommen.
Ich habe im Gefühl, dass wir nicht das letzte Mal auf Hawaii gewesen sind! Vielleicht ist da noch eine Rechnung offen? Auf jeden Fall gibt es noch viel mehr zu sehen!
Bis zum nächsten Mal! Enjoy traveling!